Tag Archives: poetry

Khairi Hamdan: Entlang der Mauern des Schweigens

Entlang der Mauern des Schweigens und der Ewigkeit
kämpfen die Buchstaben gegen das Vergessen an,
das die Namen der Toten versiegelt,
nachdem der Wind ihr Leben
davongetragen hat.

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Покрай стените на мълчанието и вечността
буквите се борят срещу забравата,
запечатват имената на мъртвите,
след като вятърът е отнел
живота им.

Übersetzung aus dem Bulgarischen: Thomas Hübner

Хайри Хамдан: един живот не е достатъчен (Khairi Hamdan: ein leben ist nicht genug), Pergament, Sofia 2016

© Thomas Hübner and mytwostotinki.com, 2014-7. Unauthorized use and/or duplication of this material without expressed and written permission from this blog’s author and/or owner is strictly prohibited. Excerpts and links may be used, provided that full and clear credit is given to Thomas Hübner and mytwostotinki.com with appropriate and specific direction to the original content.
© Hajri Hamdan and IK Pergament, 2016
 

Frisch aus der Druckerei

Die Rezensionsexemplare von “Germanii”, dem von mir übersetzten Gedichtband von Vladislav Hristov, sind da – und sie sehen gut aus!

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Rezensenten und Blogger: bei Interesse an diesem neuen Gedichtband bitte melden! (mail@rhizome-bg.com) – Ein paar Besprechungsexemplare sind noch vorhanden.

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© Photo: Elitsa Osenska, 2017

Vorankündigung: Vladislav Hristov – Germanii

Der Gedichtband “Germanii” des renommierten bulgarischen Dichters Vladislav Hristov erscheint in Kürze auf deutsch. Im Original erschien das Buch 2014 im Verlag Ergo in Sofia. Das Buch wurde von mir übersetzt, und ich bin natürlich ziemlich aufgeregt, meine erste längere Arbeit als Übersetzer bald in Buchform publiziert zu sehen.

Der Band bildet den Auftakt der Buchreihe “Stimmen aus Bulgarien”, in denen der Verlag Rhizome aus Sofia dem deutschsprachigen Lesepublikum bulgarische Literatur zeitgenössischer Autoren vorstellen wird. Diese Buchreihe wird von Elitsa Osenska und mir herausgegeben werden. Als zweites Buch ist ein Band mit Erzählungen von Jordanka Beleva geplant.

Vladislav Hristov wurde 1976 in Shumen, Bulgarien, geboren. Er lebt und arbeitet als Journalist und Photograph in Sofia.

Seine Gedichte wurden u.a. in den internationalen Literaturzeitschriften “Granta”, “Cider Press Review” und “Drunken Boat” veröffentlicht.

Er gewann zahlreiche Literaturpreise und Ehrungen: für Kurzprosa die Auszeichnung von LiterNet & eRunsMagazine (2007), den Nationalpreis für Haiku zu einem freien Thema (2010), den internationalen Haiku-Wettbewerb “Cherry blossom” (2011), und zwei der bedeutendsten bulgarischen Auszeichnungen für Dichtkunst – den Dobromir-Tonev-Preis (2015), und den Slavejkov-Preis (2015).

In drei aufeinanderfolgenden Jahren war er in der Rangliste der 100 kreativsten europäischen Haiku-Verfasser aufgeführt, und im Jahr 2016 fanden mehrere seiner Haiku Aufnahme in ein japanisches Universitätslehrbuch zum Thema.

Er ist Mitglied der “Haiku Foundation”. Seine Haiku sind u.a. in der Zeitschrift der Amerikanischen Haiku-Vereinigung “Frogpond”, in “World Haiku Review”, der Zeitschrift des Internationalen Haiku-Clubs, sowie in “Simply Haiku”, “The Heron’s Nest” und vielen anderen Zeitschriften veröffentlicht.

Im Jahr 2011 wurde eine Auswahl seiner Haiku von der deutschen Website “Haiku heute” und später in deren Jahrbuch publiziert.

Texte von Hristov sind in 16 Sprachen übersetzt. Auf bulgarisch liegen folgende Bücher von ihm vor: “Bilder von Kindern” (Kurzprosa, 2010), Enso (Gedichte, 2012 – nominiert für die höchste Auszeichnung für Dichtkunst in Bulgarien, den Ivan-Nikolov-Preis), “Phi” (Gedichte, 2013), “Germanii” (Gedichte, 2014) und “Countdown” (Gedichte, 2016). Ein Band mit Publizistik ist in Vorbereitung.

Eine kleine Kostprobe aus dem Band kann man hier finden.

Literaturkritiker, Rezensenten und Buchblogger, die das Buch besprechen wollen und ein Rezensionsexemplar zugesandt bekommen wollen, senden mir bitte eine Nachricht als Kommentar zu diesem Posting, am besten unter Angabe des Mediums, in dem die Rezension erscheinen soll. 

Weitere Informationen zum Buch mit genauem Erscheinungsdatum und Bestelldetails folgen bald an dieser Stelle in Kürze.

Der Buchumschlag stammt von Ivo Rafailov, der auch die bulgarische Originalausgabe gestaltet hat.

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© Ivo Rafailov, 2014-7 (Umschlaggraphik)
 

 


Krasimir Vardiev: erstickte worte

erstickte worte
rauchwolken
nasse straßen
trübe schatten
vage klänge
was fehlt
über die stille hinaus
ich will
jemanden berühren
fühlen mir einprägen
gib mir feuer
sei mein licht
im dunkel
nur für eine weile


задушаващи думи
димни завеси
мокри улици
мътни сенки
смътни звуци
недостигащи
отвъд мълчанието
искам да докосна
почуствам запомня
някого
дай ми огънче
бъди ми светлина
в мрака
само за малко 

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Übersetzung aus dem Bulgarischen von Thomas Hübner

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Krasimir Vardiev: s(r)amota, DA, Sofia 2016

© Krasimir Vardiev and DA Publishers, 2016.
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Krasimir Vardiev: varna 3

varna 3
 
varna
ist keine stadt
sondern ein zustand
den du
vergessen willst
und nicht kannst

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варна 3
 
варна
не е град
а състояние
да искаш
да забравиш
и да не можеш


Übersetzung aus dem Bulgarischen von Thomas Hübner

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Krasimir Vardiev: s(r)amota, DA, Sofia 2016

© Krasimir Vardiev and DA Publishers, 2016.
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Krasimir Vardiev: unsichtbar

unsichtbar
 
du sagst
dass es leichter ist sich zu schneiden
am papier
in diesem haus der stumpfen messer
und der aus allen ecken
sprießenden bücher
ich sage
dass es leichter ist
 
du sagst
dass du sterben kannst
vor lauter faulheit
es gibt wenig platz
und schon wieder ist es staubig
ich sage
dass ich sterben kann
 
du sagst
dass es zeit ist dass dein leben
irgendwohin führt
du verschwendest dich
vollkommen vergeblich
an deine und der leute
launen
und an einige bastarde
ich sage
dass es zeit ist
 
so reden wir
schon lange
und irgendwie
sind wir froh
dass nichts
sich geändert hat
unsichtbar zufrieden

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невидимо

казваш
по-лесно е да се порежеш
на хартия
в тази къща с тъпи ножове
и извиращи книги
от ъглите
казвам по-лесно е
 
казваш
може да умреш
от мързел само
мястото е малко
и пак е прашасало
казвам
може да умра
 
казваш
време е животът ти
да поеме нанякъде
пилееш се твърде
и напразно
по свои и хорски
приумици
и за разни гадове
казвам
време е
 
така си говорим
отдавна
и сме доволни
някак
че нищо
не се променя
невидимо доволни


Übersetzung aus dem Bulgarischen von Thomas Hübner

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Krasimir Vardiev: s(r)amota, DA, Sofia 2016

© Krasimir Vardiev and DA Publishers, 2016.
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was ich vermisse

was ich vermisse

die freundlichkeit und wärme der menschen
die reisfelder neben meinem büro
den mangobaum und die bank vor meinem haus
auf der eine java-katze
klein und feingliedrig
ihre jungen zur welt brachte
die intensität der geräusche gerüche gefühle
das essen das schmackhaft zu nennen
eine nichtssagende untertreibung wäre
die sonnenaufgänge
gleichermassen atemberaubend
auf einem hügel in der nähe von borobudur
auf dem dieng-plateau
im dschungel von kalimantan
oder beim vulkan bromo
die epischen sonnenuntergänge
am pantai parangtritis am indischen ozean
oder in lovina am pazifik
wo wir am nächsten morgen die springenden thunfische
irrtümlich für delphine hielten
die dann aber auch in grosser zahl erschienen
und ihr schauspiel aufführten
die gamelanmusik
meditativ-entspannend am hof des sultans von yogyakarta
expressiv-dynamisch in bali
das ramayana-ballett vor dem tempel von prambanan
der kecak-tanz in tanah lot
(sei gegrüsst walter spies)
den anblick des merapi von meinem fenster aus
ein beständiges memento mori
die besuche in den werkstätten der handwerker
und in der fabrik aus der der braune zucker kommt
rohrzucker, unraffiniert
(die maschinen made in GDR
also vor suhartos putsch importiert)
die bescheidenen friedhöfe und mahnmale
für die massakrierten chinesen
die aufwendigen schnitzereien
auf den friedhöfen der dayak
die strassenmusikanten am abend
die transsexuellen tänzer an den roten ampeln am morgen
die ateliers der befreundeten künstler
und die galerien in jogja bandung magelang jakarta
der wunderbare botanische garten in bogor
aus dem sich der geheimrat
(korrespondierendes mitglied der botanischen gesellschaft dortselbst)
pflanzensamen und setzlinge nach weimar schicken liess
tempoe duluh in malang
wo der internierte dichter max dauthendey
an einer unheilbaren krankheit starb: heimweh
salatiga wo rimbaud endgültig von der dichtung abschied nahm
kampoeng arap in semarang
wo schiller vielleicht sein späteres leben verbracht hätte
wäre er nicht rechtzeitig desertiert
vieles was ich nicht beschreiben kann
und was mich daran erinnert
dass das leben eine ewige abfolge von wiederkehrten ist
heute lebendig morgen tot übermorgen wiedergeboren
in unerwarteter gestalt
die sinnlichkeit die über allem liegt
dich

 

Sofia, 13.11.2016

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“Neue Sachlichkeit (Wannsee)”, von Vladimir Sabourin

НОВА ПРЕДМЕТНОСТ (WANNSEE)

Клайст натиска бавно спусъка
ако S-Bahnа мине оттам
по същото време
би било съвпадение.


Neue Sachlichkeit (Wannsee)

Kleist spannt langsam den Abzug
wenn die S-Bahn dort genau
in diesem Moment vorbeigekommen wäre
wäre das ein Zufall gewesen.

 

Übersetzung aus dem Bulgarischen: Thomas Hübner

Das Original wurde zuerst hier, die Übersetzung hier veröffentlicht. Mein Dank geht an den Autor, Vladimir Sabourin.

© Vladimir Sabourin, 2016 
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verschneite landschaft mit R.W.

verschneite landschaft mit R.W.

das photo, schwarzweiss
auf den ersten blick anscheinend nichts besonderes darauf
für einen weihnachtstag im gebirge
eine schneelandschaft
die du wohl trotz deines alters
mit kräftigen raumgreifenden schritten durchquert hast
das geländer
an dem du dich wahrscheinlich nicht festgehalten hast
die festen und sicheren abdrücke deiner winterstiefel
die der einzige luxus waren, den du dir geleistet hast
wohlverdient nach jahrelanger arbeit
beim abwaschen der tische in der anstalt
und beim kleben von tüten
eine nützlichere beschäftigung als das schreiben von büchern
(dein letztes fand genau siebzehn käufer)
du hattest wie die figuren aus deinem werk
den wahnsinn schon hinter dir
und warst geheilt
als dir der hut vom kopf rollte
und ein stückchen neben deinem körper
im schnee liegenblieb

Podgorica, 14.08.2016

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Avrom Sutskever: Mein Vater

Mein Vater (Mayn Tate)

Mein Vater ist eine Eisscholle auf den Flüssen Sibiriens, –
Meine Mutter ist ein Scheiterhaufen auf Viliyas Morast,
Doch beide sind sie in mir,
Der Scheiterhaufen und die Eisscholle.
Mein Kind, sie werden in mir sein
Auch hinter meinen geschlossenen Augen –
Der Scheiterhaufen und die Eisscholle.

aus: Avrom Sutskever (1913-2010), Poetishe Verk, Band 2, 1963

Zog Nit Keynmol as du geyst DEM LETSTN VEG

Avrom Sutskever – Photo: aus “Musique dans les Ghettos”, Claude Torres

Übersetzung aus dem Jiddischen von Thomas Hübner

 

© Avrom Sutskever, 1963
© Photo Claude Torres 
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