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My Book Year 2019

The year 2019 is almost over and it is time to look back at my reading and blogging experiences.

After a hiatus, I started again to blog more or less regularly and I hope this will be also the case for 2020.

As for my reading, I didn’t keep a diary to track down the books I read this year, but the number is approximately 130, so roughly two and a half books per week, of which around 60% were fiction, 40% non-fiction. Almost all books I read were “real” printed books, only one book was read electronically. I read books in four languages (German, English, French, Bulgarian).

Every book year brings interesting discoveries, pleasant surprises, some re-reads of books I enjoyed in the past, and a few disappointments. Here are my highlights of the last year:

The most beautiful book I read in 2019: Arnulf Conradi, Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung (Zen and the Art of Birdwatching)

Best re-reads in 2019: Michel de Montaigne, Essais; Karl Philipp Moritz, Anton Reiser; Salomon Maimon, Lebensgeschichte (Autobiography)

Best novels I read in 2019: Marlen Haushofer, Die Wand (The Wall); Uwe Johnson, Jahrestage (Anniversaries); Jean Rhys, Sargasso Sea

Best poetry books I read in 2019: Thomas Brasch: Die nennen das Schrei (Collected Poems); Johannes Bobrowski, Gesammelte Gedichte (Collected Poems), Franz Hodjak, Siebenbürgische Sprechübung (Transylvanian Speaking Exercise); Yehuda Amichai, The Poetry of Yehuda Amichai; Anise Koltz, Sich der Stille hingeben (Surrender to the Silence); Mahmoud Darwish, Unfortunately It Was Paradise; Vladimir Sabourin, Останките на Троцки (Trotzky’s Remains); Rainer René Mueller, geschriebes, selbst mit stein

Best Graphic Novel I read in 2019: Art Spiegelman, Maus

Best SF novel I read in 2019: Arkady and Boris Strugatsky, The Doomed City

Best crime novel I read in 2019: Ingrid Noll, Halali

Best philosophy book I read in 2019: Ibn Tufail, The Improvement of Human Reason

Best non-fiction books I read in 2019: Charles King, The Moldovans; Charles King, Midnight at the Pera Palace; Timothy Snyder, The Road to Unfreedom; Adriano Sofri, Kafkas elektrische Straßenbahn (Kafkas Electric Streetcar); Rebecca Solnit, A Field Guide to Getting Lost; Lucy Inglis, Milk of Paradise; Adina Hoffman and Peter Cole, Sacred Trash; Sasha Abramsky, The House of Twenty Thousand Books

Best art book I read in 2019: Hans Belting, Der Blick hinter Duchamps Tür (The View behind Duchamp’s Door)

Best travel book I read in 2019: Johann Gottfried Seume, Spaziergang nach Syrakus (Walk to Syracuse)

Biggest book disappointment in 2019: Elena Ferrante, Neapolitan Novels

Favourite book cover in 2019: Ivo Rafailov’s cover for the Bulgarian edition of Marjana Gaponenko’s Who Is Martha? (this edition is upcoming in January 2020)

Most impressive translator’s work: Jennifer Croft’s translation of Flights by Olga Tokarczuk; Vladimir Sabourin’s translations in his Bulgarian poetry anthology Радост на Началото (The Joy of the Beginning)

Most embarrassing authors in 2019: Peter Handke; Christoph Hein; Zachary Karabashliev

Good as always: Vladimir Sorokin, The Blizzard; Clarice Lispector, Near to the Wild Heart; Ismail Kadare, The Traitor’s Niche; Jabbour Douaihy, Printed in Beirut; Georg Klein, Die Zukunft des Mars (The Future of the Mars); Phillipe Claudel, Le rapport de Brodeck (Brodeck), Kapka Kassabova, Border; Naguib Mahfouz, The Midaq Alley

Interesting Authors I discovered in 2019: Samanta Schweblin, Mouthful of Birds; Olga Tokarczuk, Flights; Isabel Fargo Cole, Die Grüne Grenze (The Green Border); Hartmut Lange, Das Haus in der Dorotheenstraße (The House in the Dorotheenstraße); Erich Hackl, Abschied von Sidonie (Farewell to Sidonia)

And which were your most remarkable books in 2019?

© Thomas Hübner and Mytwostotinki, 2014-9. Unauthorized use and/or duplication of this material without expressed and written permission from this blog’s author and/or owner is strictly prohibited. Excerpts and links may be used, provided that full and clear credit is given to Thomas Hübner and Mytwostotinki with appropriate and specific direction to the original content.

Selbstkommodifizierung von Autoren

Auch in der Literatur hat sich in den letzten Jahrzehnten so etwas wie Commodification ausgebreitet. Bestimmten Autoren ist es gelungen, so etwas wie ein Markenartikel zu werden. Ein charakteristisches Beispiel dafür ist Ernest Hemingway, und in einer Besprechung eines seiner Romane habe ich darüber auch kurz geschrieben. Ein Autor, von dem alle ein bestimmtes Bild im Kopf haben, dass sich gewissermaßen von seinem literarischen Werk abgekoppelt hat und dieses häufig komplett ersetzt hat. Es soll Leute geben, die Hemingway als Lieblingsautor angeben, auch wenn sie noch nie ein Buch von ihm gelesen haben. (Mancher wäre unangenehm überrascht, wie schlecht und schwer erträglich manches von Hemingway ist, würde er ihn denn lesen.)

Dazu kommt, dass der Autor/in, der/die häufig in den Medien erscheint, in aller Munde ist und dadurch auch zum beliebten Gesprächsthema sich als gebildet betrachtender Menschen bei Cocktailpartys und dergleichen Gelegenheiten wird. Dabei ist es gar nicht unbedingt notwendig, herausragende Werke zu verfassen, entscheidend ist das soziale Interesse der Konsumenten.

Ein Autor, der das ganz ausgezeichnet verstanden hat, ist Peter Handke. Schon bei seinem allerersten Auftreten in den 1960er Jahren provozierte er das gesamte literarische Establishment der Gruppe 47; später kam dann seine Publikumsbeschimpfung dazu, in der er das Theaterpublikum auf ähnliche Weise provozierte. Die Leute finden das natürlich unterhaltsam und man kann sich je nach Naturell auch wunderbar darüber aufregen. Beides ist gut für den Autor in unserer heutigen Aufmerksamkeitsökonomie. Und egal, welchen Skandal Handke später lieferte – körperliche Gewalt gegen die Lebensgefährtin, Fausthiebe gegen einen Literaturkritiker, zahlreiche abgebrochene Interviews des sich jeweils provoziert fühlenden Autors, Beschimpfungen aus der Genital- oder Analsphäre gegen kritische Zeitgenossen vorzugsweise weiblichen Geschlechts, eine fast zweistellige Zahl von Büchern, in denen er mal mehr, mal weniger subtil sein geschichtsrevisionistisch-völkisches Jugoslawienbild zeichnet und nebenbei Propaganda für serbische Kriegsverbrecher macht, Interviews in denen er einen Genozid leugnet oder relativiert -, er erinnert die Öffentlichkeit mit diesen Skandalen immer wieder daran, dass es ihn gibt und das verschafft ihm enorme Medienresonanz, die er mit seinen Romanen, Erzählungen und Theaterstücken allein nie auch nur annähernd erreicht hätte. Die Folge sind neue Leser und Literaturpreise wie am Fließband, zuletzt auch der Nobelpreis. Alle wissen heute, wer Handke ist – er ist ein Markenartikel.

Im Zeitalter der sogenannten Sozialen Medien ergeben sich natürlich noch mehr Möglichkeiten als früher. Wenn man sieht, wie ungehemmt narzisstisch sich viele Autoren auf ihren Social Media-Auftritten in Szene setzen, kann das ebenfalls als mehr oder weniger erfolgreiche Strategien der Selbstkommodifizierung sehen. (Ich nenne hier ganz bewusst keine Beispiele; jeder kennt solche Peinlichkeitsorgien.) Daneben gibt es aber auch die Autoren, die hauptsächlich damit beschäftigt sind, ihre Bücher zu schreiben. Und als Leser interessieren mich selbstredend Bücher mehr als irgendwelche Schriftstellerselfies, inszenierte Skandälchen oder Selbstvermarktungsstrategien von medienhungrigen Schreiberlingen.

Um nur ein einziges Beispiel zu nennen: ich kann mich nicht erinnern, jemals auch nur ein einziges Interview mit Hartmut Lange gelesen zu haben – wahrscheinlich gibt es ein paar, aber sie sind mir nicht erinnerlich; ich weiß nicht mal, wie er aussieht. Und auch sonst hab ich ihn noch nie weder in einer Talkshow gesehen – ok, das ist jetzt ein wenig geschummelt: ich habe nämlich seit vielen Jahren keinen Fernseher mehr -, noch ist er mir als Unterzeichner irgendwelcher Appelle, Propagandist irgendwelcher zweifelhafter Thesen oder Sympathisant irgendwelcher dubioser politischer Gruppierungen erinnerlich. Wie steht er zum Klimawandel? Keine Ahnung, wahrscheinlich so wie ich auch. Seine Werke lassen einen hochintelligenten und reflektierenden Menschen vermuten. Das ganze markenartikelhafte Gehabe gibt es bei ihm (und vielen anderen Autorinnen und Autoren) überhaupt nicht. Es gibt nur, so zuverlässig wie bei einem Schweizer Uhrwerk, Jahr für Jahr aufs Neue diese relativ schmalen, aber großartigen Bücher von ihm. Erzählungen und Novellen hauptsächlich. In einer sehr schlanken, eleganten und verdichteten Prosa geschrieben. Egal, zu welchem der rund zwanzig Bände in der Diogenes-Backlist man greift, man wird einfach nie enttäuscht, sondern auf intelligente Art unterhalten und oft auch zum Nachdenken angeregt. Da lasse ich die ganze langweilige, ärgerliche Markenartikelliteratur gerne links liegen.

Anstatt jedem Hype und jedem Skandal hinterherzuhecheln, sollten wir die richtig guten Autorinnen und Autoren lesen.

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